Von wegen Individualsportart!

Von wegen Individualsportart!

28. April 20173 Minuten Lesezeit

Für die Mannschaft habe ich mich zuletzt auf ein Abenteuer eingelassen - und wurde mit einem schönen Meisterschafts-Halbmarathon belohnt. Im Artikel erzähle ich, warum diese 21 Kilometer für mich ein Abenteuer waren, wie es dazu gekommen ist und wem ich diesen Artikel verdient gewidmet habe.

Vor wenigen Tagen startete ich bei den bayerischen Halbmarathon-Meisterschaften - nachdem ich wenige Tage zuvor eine telefonische Anfrage bekommen habe. Hintergrund des Anrufs war, dass leider ein Athlet krankheitsbedingt nicht an den Start der Meisterschaft gehen kann und dadurch die Mannschaft "platzen" würde. Dank diverser Apps, die ich zum Sport verwende, konnte ich meine letzte lange Laufeinheit schnell herausfinden: Im Oktober 2015 war ich zuletzt mehr als 16 Kilometer im Training unterwegs - dazwischen nur etwa 10 mal 16 Kilometer und im Jahr 2017 nur einmal 14 Kilometer, sonst nur zwischen 8 und 12 Kilometer und das 1 bis 2 mal pro Woche. Unter diesen Umständen musste ich vor einer Entscheidung erst einmal eine Nacht über die Anfrage schlafen. Am nächsten Morgen lief ich zunächst 12 Kilometer im Rahmen meines Arbeitsweges und entschied mich dann mit gemischten Gefühlen, für die Mannschaft einzuspringen.

Die Tage bis zum Rennen waren dann in Gedanken turbulent. Kurz zuvor habe ich mich gegen einen Start beim Wolfsfährtelauf entschieden, da in meinen Augen die 10 Kilometer für meinen Fitnesszustand viel zu lang wären - "und nun laufe ich 21 Kilometer bei einer Meisterschaft?". Meine konkrete Vorbereitung für die bayerische Meisterschaft beschränkte sich also auf vier Tage. Da ich am Morgen des Mittwochs schon die 12 Kilometer und am Tag zuvor ebenfalls 12 Kilometer vor der Anfrage gelaufen bin, entschied ich mich, am Donnerstag schwimmen zu gehen, um meine Beine nochmal zu entlasten. Am Freitag erfolgte vor der Arbeit dann ein leichter 5 Kilometer kurzer Lauf, gefolgt von einem Ruhetag am Samstag. Da sich mein ganzer Körper nicht gut anfühlte, nutzte ich ausnahmsweise am Tag vor einem Wettkampf noch ein Thermalbad zur Regeneration. Grundsätzlich mache ich das nicht, da durch das warme Wasser die Muskelspannung verringert wird und dadurch nicht die optimale Spannung für gute Ergebnisse vorhanden ist. In diesem Fall war ich aber auch durch die Arbeitsbelastung so verspannt, dass dies die beste Option in meinen Augen war. Nach 40 Minuten im Thermalbad auf den Sprudelliegen und unter den Wasserfällen zur Rückenmassage, besuchte ich noch eine Freundin und brach' bereits am Abend vor dem Wettkampf spontan nach Augsburg auf. Da ich am Wochenende zumindest einigermaßen ausschlafen wollte, investierte ich gerne das Geld für ein Hotelzimmer und ersparte mir damit nicht nur einen klingelnden Wecker um 4.45 Uhr, sondern auch eine stressige, 2 bis 3-stündige Anfahrt am Wettkampftag.

Nach ausreichend Schlaf und einem guten Frühstück ging es dann am Sonntag vom Hotel zum Start. Dort traf ich mich mit meinen Leuten vom Verein, konnte mich aber leider nicht mit ihnen zusammen aufwärmen, da ich nicht schon vor dem Rennen meine Muskeln mit zu vielen Kilometern beanspruchen wollte. Daher musste trotz kühler Temperaturen ein kleines Aufwärmprogramm mit zwei bis drei Kilometern Jogging zum Aufwärmen ausreichen. Da ich knapp 7 Monate kein Tempotraining absolviert habe, musste ich mich zu Beginn des Rennens komplett auf meine Erfahrung verlassen, da mir das Gefühl für's Tempo gefehlt hat. Aber mehr als 10 Jahre Leistungssport machen sich dann doch bemerkbar - und so ließ ich mich nicht von den Massen zu einem zu schnellen Tempo hinreißen und lief die ersten zwei von insgesamt drei 7-Kilometer langen Runden durch den Stadtwald in Augsburg relativ gleichmäßig und konnte Läufer für Läufer nacheinander ein- und überholen. Dies war gerade angesichts des nicht vorhandenen Trainings äußerst motivierend - am meisten aber motivierte es mich, dass ich nicht für mich, sondern für die Mannschaft gelaufen bin. Und so versuchte ich gerade auch in der dritten Runde keine Sekunde zu verschenken, da für das Mannschaftsergebnis die Zeiten von drei Läufern addiert werden. Ab Kilometer 15 wurde das Rennen dann sehr hart für mich und ich merkte deutlich, dass ich diese Distanz schon lange nicht mehr gelaufen bin - die letzten drei Kilometer wäre ich am liebsten jeden Meter stehen geblieben. Aber nein, da war doch die Mannschaft und jede Sekunde zählt. Und so kam ich nach selbst für mich eigentlich schlechten 1:34:45 Stunden ins Ziel. An diesem Tag aber bedeutete dies für mich eine Leistung, auf die ich stolz war und die ich mir vor dem Rennen realistisch selbst nicht wirklich zugetraut habe. Möglich machten es mein Verein und meine beiden Vereinskameraden, für die ich mich gern gequält habe - Laufen ist dann eben doch kein reiner Individualsport, sondern noch viel mehr. Und das hat trotz aller Schmerzen verdammt viel Spaß gemacht.

Diesen Artikel widme ich daher meinem tollen Verein und speziell meinen großartigen Vereinskameraden, die eine sensationelle Leistung abgerufen und mich damit auf Platz 10 der Mannschaftswertung "mitgezogen" haben. Vielen Dank, Andreas und Oliver ;-)


Autor

0 Kommentare

Tipp des Tages